Tagebuch

Eintrag 28

Architekturtheorietage – Fetisch und Tabu

Die Eingangsfrage: Was tabuisiert die Architektur und ihre Theorie? Die gegebene Antwort: Das zweite Drittel von Race, Class und Gender. Die darauffolgende Forderung: Den Zusammenhang von Produktionsverhältnissen und Architektur analysieren, aber ohne einem „rhetorischen Klassenkampf“ zum Opfer zu fallen.

Ist das vielleicht ein Widerstand, der uns da begegnet? Ich meine ja. Deshalb auch die Bitte, lieber von „blinden Flecken“ zu sprechen, denn der Begriff des Tabus sei schließlich etwas „radikal“ und sowieso müsse die Architektur sich doch viel eher den Formen zuwenden, ihrem „eigentlichen Gegenstand“.

Wer das Tabu mit dem blinden Fleck gleichsetzt und statt Klassenverhältnissen lieber Formen diskutiert, hat in der Architektur nichts verloren. Zumindest nicht in einer Architektur für den Menschen. Über den Fetisch der Form geht ihr Inhalt verloren und das Verklären der Tabus zu blinden Flecken mündet in der unbewussten Reproduktion bestehender Verhältnisse und findet Ausdruck in einer vermeintlich formschönen, letztlich uniformen Architektur – blind für den Menschen und seine Bedürfnisse.

Ausdruck dieser Reproduktion ist eine Architektur, deren Fetisch die Form und deren Tabu der Inhalt, deren Verleugnetes die Herrschaft des Kapitals und deren Widerstand die Verklärung dieser Zusammenhänge zum blinden Fleck ihrer eigenen Theorie.

JL 07.11.24

Eintrag 27

Brandmauer

"Eine Brandwand oder Brandmauer ist eine Wand, die durch ihre besondere Beschaffenheit das Übergreifen von Feuer und Rauch von einem Gebäude oder Gebäudeteil zu einem anderen verhindern soll. Diese Aufgabe muss die Brandwand auch dann erfüllen, wenn Löschwasser und Hitze auf sie einwirken oder andere Bauteile auf sie stürzen oder sie seitlich anstoßen." (Wikipedia, Brandwand, 01.09.2024)

Ob Brandmauern wohl auch funktionieren, wenn zwei Länder brennen?
Wenn das Löschwasser zu kochen beginnt?
Wenn statt Bauteilen Gerüste einstürzen?
Wenn seitliches Anstoßen zum Frontalangriff wird?

Würde mich sehr wundern.

JL 01.09.24

Eintrag 26

Phädra, in Flammen

Das Stück ist vorbei, das Licht geht an. Die Schauspielenden verlassen ihre Rollen, verbeugen sich und genießen den Applaus.

Nur Phädra läuft eine Träne aus dem rechten Auge. Fast unmerklich rollt sie an ihrer Wange hinab, allein die Spur zerlaufender Schminke verrät ihren Weg.

Sie weiß, dass sie ihre Rolle nie wird verlassen können, dass kein Licht der Welt sie daraus befreit.

Als die Schauspielenden sich nach einem kurzen Rückzug erneut dem Applaus des Publikums aussetzen, ist nichts von der rollenden Träne und der zerlaufenden Schminke mehr zu sehen.

JL 13.06.24

Eintrag 25

Europa

Über dem Olymp ziehen braune Wolken auf. Was als leichter Niesel sich noch schönreden ließ, kündigt nun vom nahen Gewitter.

Für aufmerksam Beobachtende nicht überraschend. Lange war das Unwetter am Horizont zu sehen, doch für das wählende Volk sind es noch immer kaum spürbare Tropfen auf den demokratischen Köpfen.

Nicht gewappnet für das Donnergrollen, freuen sie sich über jeden Blitzeinschlag - bis die geliebte Heimat in Flammen steht.

JL 12.06.24

Eintrag 24

Es ist kein Sturm,
Es ist ein Feuer.

Sicher nicht günstig,
Eher viel zu teuer.

Und trotzdem alles wert.

MK 08.05.24

Eintrag 23

Falsches Gleis

Bei einer Zugfahrt durch Deutschland sieht man noch immer - und vielleicht bald wieder - die ausgehungerten Opfer des Faschismus zusammengepfercht an Gleisen stehen, gebrochene Blicke aus Güterwagen schauen und bucklige Menschen auf Fabrikgeländen umherschleichen.

JL 03.11.23

Eintrag 22

Air Defender 23

Endlich übernimmt Deutschland wieder militärische Führungsrollen und unser Kanzler kann seine Wampe in Kampfjet-Cockpits quetschen - danke, "Air Defender 23"!

Irgendwie hackt's auch einfach.

JL 29.06.23

Eintrag 21

Reue

Wer liebt bereut nicht - und wer bereut liebt nicht.

MK 17.06.23

Eintrag 20

Fragen beantworten zu können, hieße zu wissen, wie die Zukunft aussieht. Und darin begründet sich die Unzulänglichkeit eines Antwort-orientierten Denkens - seine Unmöglichkeit. Das Suchen als Solches muss zum zentralen Moment jeglichen Denkens werden, ebenso wie die Fähigkeit, den fluiden Grund des Suchens in ein solides Fundament zu übersetzen. Ein solches Denken gleicht dem Versuch, ein Gebäude auf Treibsand zu errichten, weshalb es ein unaufhörliches, bedingungsloses Voranschreiten erfordert.

JL 28.05.23

Eintrag 19

Was ich lange für ein Studium der Soziologie hielt, entpuppt sich zunehmend als eine Ausbildung zur Fachkraft für atomisierte Gesellschaftsaffirmation.

JL 25.05.23

Eintrag 18

Eurofighter

Es ist das Moment, in dem Jean Pierre "JP" Kraemers PS-geiles Glied beim Anblick eines startenden Eurofighters vor den Augen eines Millionenpublikums medienwirksam kontraktiert, das alle nur erdenklichen Alarmglocken des vernünftigen Menschen zerbersten lassen sollte.

JL 02.04.23

Eintrag 17

Es gibt so viele Menschen mit Antworten auf Fragen, die sie sich nie gestellt haben und vielleicht ist die Antwort auf die Frage nach dieser Fraglosigkeit der Menschen das, was sie ausmacht.

JL 19.11.22

Eintrag 16

Kann man Strukturen erschießen?

JL 25.09.22

Eintrag 15

Es gibt keine Antworten, nur Entscheidungen.

MK 23.09.22

Eintrag 14

Blaue Flecken

Pazifisten schlagen ihre Kinder.

MK 07.07.22

Eintrag 13

Die Entwicklung neuer Kategorien ist einfach. Die Abschaffung von Kategorien wäre mal was.

JL 15.06.22

Eintrag 12

Gerechtigkeit ist letztlich auch nur die anerkannteste Form ihres Gegenteils.

JL 30.05.22

Eintrag 11

Wahrscheinlich ist der Mensch einfach nur überfordert, Mensch zu sein.

MK 27.05.22

Eintrag 10

Die maximale Entfremdung ist die Einheit.

JL 12.05.22

Eintrag 9

Wie sinnvoll sind eigentlich Barfußschuhe für Menschen im Rollstuhl?

MK 11.04.22

Eintrag 8

Mir platzt nicht der Kragen, sondern der Kopf.

JL 14.03.22

Eintrag 7

Umweltschutz ist nicht mehr und nicht weniger als salonfähiger Menschenschutz. Es geht nicht darum, die Umwelt als Wert an sich zu schützen. Was sie schützenswert macht ist die Tatsache, dass sie unsere Umwelt ist. Umweltschutz ist Adaption und damit in selber Weise intellektuelle Errungenschaft und selbstlose Heldentat, wie die Winterruhe eines Eichhörnchens.

JL 22.02.22

Eintrag 6

Die Tatsache, dass der Erfolg stets nur an einem Ausschnitt der Realität gemessen wird, macht ihn doch sehr unattraktiv.

JL 12.02.22

Eintrag 5

Der nächste Verwandte der Regel ist die Gewalt.

JL 09.02.22

Eintrag 4

Innerhalb der Gesellschaft ist es unmöglich, einfach nur zu sein. Immer muss man jemand, oder etwas, sein. Ganz schön nervig.

MK 29.01.22

Eintrag 3

Wie soll ich wissen, wer ich bin, wenn ich nicht einmal weiß, wer ich war?

MK 28.01.22

Eintrag 2

Der demokratische Weg erlaubt kein falsches Abbiegen. Weder nach links, noch nach rechts.

JL 29.11.21

Eintrag 1

Ich bin nicht das Problem, Ich ist das Problem.

JL 01.11.21