Eine starke Meinung ist wichtig. Vor allem dann, wenn die Flut an Fragen einen zu erschlagen droht. Dabei fungiert die starke Meinung wie ein Stock beim Überqueren eines reißenden Flusses. Man stochert mit ihr vor sich herum, testet, wo sie halt hat und wo nicht. Dann bewegt man sich in die entsprechende Richtung, bildet die eigene Meinung weiter aus und hält sie erneut an verschiedenen Stellen in den reißenden Strom, um herauszufinden, an welchen Stellen sie sich behaupten kann. Eine starke Meinung ist und bleibt eine Krücke, um den Weg im Fluss der Fragen zu finden, keineswegs ist sie die abschließende Antwort. Und je pointierter die Krücke formuliert ist, je absoluter, desto schneller kommt man voran, weil sie so entweder sehr festen oder eben gar keinen Halt hat. Deshalb entfaltet eine starke Meinung ihr volles Potenzial auch nur dann, wenn die sie führende Person jederzeit und bedingungslos dazu bereit ist, sie wegzuschmeißen und durch eine neue zu ersetzen, sollte sie keinen festen Grund mehr unter sich erkennbar werden lassen. Außerdem wird ein und dieselbe Meinung den Grund des Flusses wiederkehrend an den selben Stellen abtasten, weshalb man sich inmitten des Flusses mäßig elegant um die eigene Achse drehen und schlussendlich doch ertrinken wird, sollte man sich zu lange an derselben Meinung festklammern. Der Weg zum rettenden Ufer wird – wenn auch nicht geradlinig – sicherlich kein Kreis sein.
J. Lietzke 03.03.23