Ein Zusammenhang von Raum und Zeit ist allgemein bekannt und viel besprochen. Allerdings handelt es sich hier keineswegs um Kategorien, die klar voneinander trennbar und erst dadurch in einen Zusammenhang treten können. Vielmehr gibt es ein Kontinuum, dessen adäquate Beschreibung uns derartig schwerfällt, dass wir uns der Kategorien Raum und Zeit bedienen, um den begrifflichen Kreis um dieses Kontinuum von zwei Seiten langsam enger ziehen zu können.
Ein kleines Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang. Das Messen von Abständen im Raum ist nicht ohne die Kategorie der Zeit zu denken. Wenn wir den Abstand zwischen zwei Objekten im Raum messen, kann dieser Vorgang nur über die Zeit stattfinden. Zunächst erfordert bereits das Anlegen eines Maßstabs – sagen wir eines Zollstocks – Zeit. Liegen nun die zu vermessenden Punkte entlang des Zollstocks, können wir die Entfernung der Punkte zueinander ohne einen Verlauf in der Zeit nicht bestimmen. Wir können nicht in ein und demselben Moment zwei Punkte entlang des Zollstocks wahrnehmen - wir erfassen einen nach dem anderen. Somit wird das Anlegen von Maßstäben im Raum ohne die Zeit unmöglich. Für diesen Zusammenhang lassen sich etliche weitere Beispiele finden.
Es ist also eine Illusion, das Messen im Raum vom Messen in der Zeit trennen zu können. Raum und Zeit sind Eigenschaften ein und desselben Phänomens und nicht zwei voneinander trennbare Gegenstände. Die analytische Trennung von Raum und Zeit ist somit nicht der Beweis von zwei Gegenständen sondern unserer Unfähigkeit, das Phänomen, welches sich in Raum und Zeit zugleich manifestiert, begrifflich zu erfassen.
J. Lietzke 28.05.22